Was kostet der Ozean?

Sonne strahlt durch dichte Wolken am Himmel über der rauen Brandung

Die Potenziale zur Nahrungssicherung und zur Wertschöpfung der lebenden Ressourcen im Meer scheinen unendlich. Heute schon werden jährlich über 100 Mio. Tonnen Algen, Fische, Krebse und andere Organismen im Meer gefangen bzw. kultiviert und über 3 Mrd. Menschen beziehen zu mindestens 20% ihren Bedarf an tierischem Eiweiß aus Fischen. Für die Zukunft brauchen wir noch mehr Meer, weil die Weltbevölkerung bis 2050 auf nahezu 10 Mrd. Menschen ansteigt. Auch die potenzielle Wertschöpfung aus lebenden marinen Ressourcen, die nicht zur Ernährung eingesetzt werden, ist beachtlich: allein der Wert von bislang unentdeckten chemischen Verbindungen zur Behandlung von Krebsmedikamenten wird auf 400 Mrd. bis 4 Billionen Euro geschätzt. Noch größere Innovationsmotoren und Werte schlummern in anderen, lebensnahen Bereichen: Nahrungsergänzung aus Mikroalgen, Naturkosmetik mit Tang, Enzyme zur Herstellung von Textilfarben, Züchtung von Knorpelzellen mit Quallen-Kollagen, antimikrobielle Beschichtungen auf Hüftprothesen und Energiegewinnung mit Wasserstoff aus Algen. So weit, so gut.

Der Haken dabei: davon, dieses Potenzial clever zu nutzen, sind die Menschen Meilen entfernt. Denn wie sollte eine Quelle, die gleichzeitig Kloake und größtes Müllbehältnis der Menschheit ist, jemals zuverlässige Lieferantin für saubere Nahrung und Medikamente sein? Wie kann man sich der marinen Ökosysteme und ihrer „Services“ bedienen, wenn die Menschen aktiv am Austilgen von Arten mitwirken, von denen man einen Großteil, wenn nicht die meisten, noch garnicht kennt? Wir könnten wesentlich optimistischer in die Zukunft blicken und mit einem größeren Wohlstand rechnen, würden wir die Meere nicht mit Öl, Radioaktiven und Plastikabfällen verseuchen. Hinzu kommen viele Belastungen, deren Folgen heute noch nicht abschätzbar sind, wie z.B. der Tiefseebergbau, das vermehrte Wachstum von pathogenen Keimen in organisch belasteten Sedimenten sowie die Freisetzung von Methan und anderen klimarelevanten Gasen aufgrund einer Temperatur- und pH-Änderung. Diese Einflüsse wirken sich in jedem Falle auf den Wert der biologischen Ressourcen und ihres Nutzungspotenzials aus.

Unumkehrbare Realität ist weder die intelligente, vorausschauende Nutzung, noch eine absolute Zerstörung der Meere. Auf einem Scheideweg befinden wir uns indes schon. Die ethischen, juristischen und politischen Grundsätze für den besseren Weg wurden bereits in den vergangenen Jahrzehnten erarbeitet, z.B. das Vorsorgeprinzip und das Prinzip des „common heritage of mankind“, das vor allem der maltesische Diplomat Arvid Pardo und die Seerechtsexpertin Elisabeth Mann Borgese, Ideengeber für eine neue Weltordnung und Begründer des Seerechtsübereinkommens (UNCLOS 1982), vorantrieben. Auf die Richtung haben wir uns also schon geeinigt. Auch konkrete Ziel- und Handlungsvorgaben unter Anwendung des aktuell verfügbaren Wissens gibt es bereits. Hier stechen in ihrer Wichtigkeit und Aktualität die sogenannten „Sustainable Development Goals“ (SDG) hervor. Dies sind Ziele der Vereinten Nationen, die eine nachhaltige Entwicklung auf ökonomischer, sozialer sowie ökologischer Basis sichern sollen. Sie traten am 1. Januar 2016 mit einer Laufzeit von 15 Jahren (bis 2030) in Kraft. Ein Ziel (SDG 14) widmet sich ausdrücklich den Ozeanen und ihrer nachhaltigen Nutzung. Dringliche Aufgabe ist es nun, diese Ziele national und international über Politik, Administration und Aufklärung umzusetzen. Nicht nur, weil das Meer Wohlstand schafft, sondern auch, weil es einfach schön ist.

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