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Plastik, Verpackung und das Meer (Teil II)

„Plastik ist praktisch – Plastik ist praktisch überall!“, dieses Zitat aus der Dokumentation „Plastic Planet“ www.plastic-planet.de von Werner Boote aus dem Jahr 2015 zeigt, wie sehr unser Leben – und besonders unsere Lebensmittel – bereits von Plastik umgeben ist. „Wenn Sie diesen Film gesehen haben, werden Sie nie wieder aus einer Plastikflasche trinken!“, heißt es – aber warum?

Der zweite Teil des Artikels „Plastik, Verpackung und das Meer“ bringt Einblicke in die Probleme der Plastikinhaltsstoffe und der Verschmutzung der Meere mit Plastik.

Teil II: Plastik macht Probleme

Herstellung und Arten von Plastik

Plastik ist ein Kunststoff, also ein künstlich hergestelltes, in der Natur nicht vorkommendes Material. Es wird aus dem Rohstoff Erdöl hergestellt. In der Ölraffinerie wird das schwere Rohöl aus der Erde in verschiedene Fraktionen nach unterschiedlichen Dichtegraden aufgetrennt. Jede Fraktion ist eine Mischung von Kohlenwasserstoffketten, die sich in der Größe und Zusammensetzung der Moleküle unterscheiden. Eine dieser Fraktionen, das Naphtha, ist die entscheidende Verbindung für die Produktion von Kunststoffen.
Bei der Herstellung von Kunststoffen kommen zwei zentrale Prozesse zum Einsatz – Polymerisierung und Polykondensation – und beide erfordern spezifische Katalysatoren. In einem Polymerisierungsreaktor werden Monomere wie Ethylen und Propen miteinander verbunden, um lange Polymerketten zu bilden. Jedes Polymer hat dabei seine eigenen Eigenschaften, eigene Struktur und Größe in Abhängigkeit von den verwendeten unterschiedlichen Arten von Grundmonomeren.

Es gibt viele verschiedene Arten von Kunststoffen und sie lassen sich in zwei Hauptpolymergruppen unterteilen:

    1. Thermoplasten (die bei Erwärmung weich werden und bei Abkühlen wieder erhärten).
    2. Duroplasten (die nicht mehr weich werden, nachdem sie gegossen wurden).
      Etwa 90% der weltweiten Produktion (jährlich etwa 150 Mio. Tonnen) entfallen in der Reihenfolge ihres Anteils auf die folgenden acht Kunststoffe:
      • Polyethylen (PE)
      • Polypropylen (PP)
      • Polyamid („Nylon“; PA)
      • Polyvinylchlorid (PVC)
      • Polyurethan (PU/PUR)
      • Polyethylenterephthalat (PET)
      • Polyester (PES)
      • Acrylate (glasartiges Plastik)

Gefährliche Additive

Kunststoffen werden im Verlauf des Herstellungsprozesses sog. Additive, z.B. Weichmacher, zugesetzt. Sie dienen der genauen Einstellung der Materialeigenschaften auf die Bedürfnisse der jeweiligen Anwendung und der Verbesserung der chemischen, elektrischen und mechanischen Eigenschaften. Zur Herstellung von Kunststoffen werden zahlreiche Additive verwendet, die nach Ansicht medizinischer Fachgesellschaften, der WHO und der UNEP als endokrine Disruptoren das Hormonsystem des Menschen negativ beeinflussen und bereits in Konzentrationen deutlich unterhalb aktueller Grenzwerte nachweislich gesundheitsschädlich sind.

In diversen Kunststoffen enthaltene Bestandteile werden als hormonell wirksam eingestuft (endokrine Disruptoren), und werden über die Haut (z.B. Kassenbons), durch Einatmen (Aerosole, Abrieb von Gummireifen) und über die menschliche Nahrung aufgenommen:

    • Bisphenole wie Bisphenol A (BPA) werden als Härtemittel etwa in Beschichtungen von Konservendosen oder in Kunststoffvorrats- oder sonstigen Behältnissen eingesetzt: sie lösen sich vor allem in säurehaltigen Stoffen wie Tomaten- oder Fruchtflüssigkeiten, schneller noch unter Hitzeeinfluss. Statistiken zufolge haben 95 bis 98% der Menschen BPA in ihrem Urin.
    • Phthalate werden als Weichmacher in Kosmetika, aber auch in Lebensmittelfolien eingesetzt: sie sind jedoch im Sinne eines endokrinen Disruptors hormonell wirksam und erhöhen so laut UNEP/WHO und endokrinologischen Fachgesellschaften beim Menschen das Risiko für Fettleibigkeit, Diabetes mellitus, Unfruchtbarkeit bei Männern und Frauen, Brustkrebs, Endometriose, Prostatakrebs, kindliche Entwicklungsverzögerungen und Hirnschäden

Dr. Hermann Kruse von der Christian-Albrecht-Universität zu Kiel zu toxikologischen Bewertungen: Phtalate sind Weichmacher in Plastikgeschirr, Haushaltsdosen usw., wie sie auch bei Tupperware eingesetzt werden und neben Allergien, Neurodermitis, Asthma auch Infertilität verursachen können: www.youtube.com/watch?v=2dj4fKDlbww

Hast Du schon einmal im Sommer eine Plastikflasche Mineralwasser im Auto liegen gelassen und das Wasser danach getrunken? Da kann man den Chemiecocktail regelrecht riechen und auch schmecken! Denn Wärme und besonders UV-Strahlung löst Stoffe aus dem Plastiknetzwerk heraus. Der Stoff Antimon ist ein Schwermetall, welches stark im Verdacht steht, krebserregend zu sein. Es wird bei der Herstellung von Plastik als Katalysator für die Vernetzung der Plastik-Monomere eingesetzt.

Die Göthe Universität in Frankfurt konnte 2012 in einer Studie mit 18 handelsüblichen Mineralwässern in Plastikflaschen insgesamt 24.520 (!) Chemikalien nachweisen, die allesamt aus dem Plastik stammen. Diese als Migration bezeichnete Ausdünstung wird besonders bei höheren Temperaturen und starker Sonnenlichteinstrahlung verstärkt. Nicht selten kann man bei Supermärkten, Discountern und Getränkemärkten die Mineralwasserpaletten in der Sonne stehen sehen. Diese Mineralwasser sind als Lebensmittel absolut ungeeignet und stark belastet.

Plastik im Meer

Kunstfasern aus Fleece-Pullis, Abrieb von Autoreifen und Schuhsohlen, Kunstrasen, Peeling-Partikel: Bis zu 2,5 Millionen Tonnen winzigster Plastikteilchen landen jedes Jahr im Meer. Ein Teil schwimmt auf der Wasseroberfläche (ca. 35.000 bis 250.000 Tonnen), ein anderer Teil liegt am Meeresboden (ca. 800.000 bis 1 Mio. Tonnen). UV-Strahlung macht den schwimmenden Kunststoff spröde. Wellen und Strömungen zerreiben ihn in immer kleinere Stücke, die dann in der Wassersäule schweben. Diese Mikroplastik-Partikel sind zwischen 1μm und 5.000μm (= 5mm) groß. Sie sind vom lebenden Plankton nicht zu unterscheiden und werden von zahlreichen Fischen und Walen gefressen. Es gibt bereits 6x mehr Plastik als Plankton im Meer. Die Tiere fressen das Plastik und verhungern mit gefülltem Magen. Immer wieder werden an den Stränden verendete Tiere – sogar Wale – angespült, denen Mägen mit Plastik gefüllt sind. Die vom Plastik abgegebenen Chemikalien wie Weichmacher schädigen die Organe und verändern sogar das Verhalten der Meeresbewohner. Bakterien und andere Mikroorganismen haften sich an die Schwebeteilchen und bilden die sog. Plastisphären, welche durch Strömungen auf der ganzen Welt verteilt werden. Grobe Schätzungen gehen von 86-150 Millionen Tonnen Plastikmüll in den Meeren und Ozeanen aus, der sich seit ca. 1950 gesammelt hat.

Bislang verschiffte Europa einen Teil des Plastikmülls nach China. Allein Deutschland wurde jedes Jahr 760.000 Tonnen Kunststoffabfall an die Volksrepublik los. Anfang 2018 stoppte China die Einfuhr, nun sucht Europa andere Abnehmer. Von Asien aus – insbesondere China, Indonesien und die Philippinen – landet mehr als die Hälfte der Kunststoffabfälle im Meer. Europa hat sein Plastikproblem somit nur verlagert.

Meeressäuger und Seevögel verwechseln den schwimmenden Plastikmüll leicht mit Nahrung. Die Kunststoffreste machen nicht satt. Viele Tiere verhungern mit vollen Magen. Die Ecken und Kanten von Plastikteilen können unter anderem den Magen und Darm von Seevögeln und anderen Tieren verletzen. Einige Kunststoffen lagern giftige Stoffe wie krebserregende Chlorverbindungen (PCB) an, die nach dem Verschlucken wieder abgegeben werden. Schätzungen gehen davon aus, dass jedes Jahr um die 100.000 Meerestiere wie Wale oder Delfine und möglicherweise eine Million Seevögel an den Folgen von Plastik im Meer verenden.

Die ozeanischen Müllstrudel

Die schier endlosen Mengen an Plastikmüll, die Jahr für Jahr über Flüsse und Meere in unsere Ozeane gelangen, finden sich irgendwann alle an einem von fünf Strömungswirbeln nahe des Äquators wieder und werden spiralförmig zu riesigen Inseln zusammengeschoben. Es gibt fünf große Strömungswirbel. Diese verteilen sich über den pazifischen, den atlantischen und den indischen Ozean. Der pazifische Müllstrudel (Great Pacific Garbage Patch) ist der größte von ihnen. Schätzungen seiner Größe gehen weit auseinander. Da ein Großteil hier durch Wellenbewegungen, UV-Strahlung und mechanische Reibung ständig zerkleinert wird, ist der in der Wassersäule schwimmende Makro- und Mikroplastikanteil sogar noch höher. Die Schätzungen beginnen bei einer Gesamtfläche von 700.000 km2 enden bei 15.000.000 km2. Aufgrund der unterschiedlichen Größe auf und unter der Wasseroberfläche sind hier also unzählbare Mengen Plastik vorhanden.

Der größte Teil des primären Plastiks in den Ozeanen (98%) wird durch Aktivitäten an Land verursacht und nur zu 2% durch Aktivitäten auf See. Der größte Teil dieser Partikel stammt aus dem Waschen von synthetischen Textilien (35%) und aus dem Abrieb von Reifen von Kraftfahrzeugen (28%). Es folgen Feinstaub aus Städten (24%), Abrieb von Straßenmarkierungen (7%), aus Schiffsbeschichtungen („Anti-Fouling“; 3,7 %) und Kosmetikprodukten (2%). Die Kunststoffe gelangen über Straßenabflüsse (66%), Abwasserbehandlungssysteme (25%) und durch Windübertragung (7%) in die Meere. Die Hauptquelle für Mikroplastik in Flüssen und Seen sind Reifenabriebe.

Im dritten Teil unserer dreiteiligen Artikelserie „Plastik, Verpackung und das Meer“ beleuchten wir das Plastikrecycling, dessen Abbaubarkeit und Projekte zur Reinigung der Meere von Plastikmüll.

1 Kommentar
  1. Rainer Kirmse
    Rainer Kirmse sagte:

    Ein kleines Gedicht zum Zustand der Weltmeere:

    PLASTIKOZEAN

    Es treiben Müllinseln auf den Wellen
    Nicht nur vor Antillen und Seychellen.
    Des Meeres Flora und Fauna Idyll
    Ist ausgesetzt unserem Plastikmüll.

    Zum Meeresboden Teilchen schweben,
    Bedroh’n der Tiefsee fragiles Leben.
    Es findet die grausige Kunststoffpest
    Den Weg noch in jedes Korallennest.

    In der Entwicklung Millionen Jahren
    Trotzten die Fische allen Gefahren.
    So könnte es noch lange weitergeh’n,
    Würden wir nicht so auf Plaste steh’n.

    Der Mensch,im ungebremsten Plastikwahn,
    Bringt hier das Ökosystem aus der Bahn.
    Hat Homo sapiens noch kluge Ideen,
    Oder müssen die Fische an Land geh’n?

    Rainer Kirmse , Altenburg

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