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Ich esse Algen. Also bin ich.

„Iss Dich schlau“, sagt Eva zu Adam, und reicht ihm eine Alge. Er greift jedoch zum Apfel.

Der Mensch würde ohne die Omega-3-Fettsäuren heute nicht in der Form existieren, d.h. mit überdurchschnittlich großem Gehirn und allem, was damit zusammenhängt – Kultur, Sozialisation, Technik. Diese essenziellen Fettsäuren können in großen Mengen nur von Algen synthetisiert werden. Trotzdem essen wir in westlichen Kulturkreisen so gut wie keine Algen. Sollten wir aber. Denn um die mentale Gesundheit der Menschen ist es momentan schlecht bestellt.

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Omega-3-Fettsäuren verhalfen dem Gehirn zum Durchbruch

Eine besondere Beziehung hegen Mensch und Algen seit es sie zusammen auf der Erde gibt. Denn es ist mittlerweile bekannt, dass sich unsere nahen Vorfahren, insbesondere der Homo erectus, nicht auf den trockenen, warmen Graslandschaften Afrikas entwickelt haben, sondern in Küstenregionen in der Nähe von Meeren oder an großen Seen (Crawford und Marsh 1989; Cunnane et al. 2014). Abgesehen von archäologischen Zeugnissen ist das wichtigste Argument für diese Aussage, dass unsere Vorfahren nur mit Zugang zu reichlich Meeresnahrungsmitteln in der Lage gewesen wären, ausreichende Mengen von mehrfach ungesättigten Omega-3- und Omega-6-Fettsäuren zu sich zu nehmen. Zusammen mit bestimmten Spurenelementen wie Jod, Eisen, Kupfer, Zink und Selen, die ebenfalls in großen Mengen in Meeresfrüchten und Algen enthalten sind, sind sie für den Aufbau eines komplexen Nervensystems und eines Gehirns mit dem sehr großen Verhältnis von Gehirn zu Körpergewicht (2,1%), verantwortlich (Cornish et al., 2017). Delphine weisen ein ähnlich großes Verhältnis auf, denn sie benötigen für ihr ausgeklügeltes Radarsystem eine leistungsfähige „Datenverarbeitung“. Auch ihr Gehirn enthält besonders große Mengen an Omega-3-Fettsäuren.
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Heute kein Paradies

Aus diesen evolutionären Zusammenhängen können wir lernen, Wege zu einem nachhaltigeren, gesünderen Essverhalten zu finden. Aber was soll das sein, eine „nachhaltige Ernährung“ ? Sie wird als eine Ernährung mit geringen Auswirkungen auf die Umwelt definiert, die die biologische Vielfalt und die Ökosysteme schützt und respektiert. Außerdem ist sie ernährungsphysiologisch angemessen, sicher, gesund, kulturell akzeptabel und wirtschaftlich erschwinglich (Pimentel und Pimentel, 2003; Chai et al. 2019).
Die heutigen Mahlzeiten sind durch einen hohen Verbrauch an energiedichten Lebensmitteln, Diätgetränken und -nahrungsmitteln, raffinierten Lebensmitteln, tierischen Lebensmitteln, Ölen und Fetten sowie zu viel Salz gekennzeichnet (Sproesser et al. 2019). Hingegen waren „traditionelle“ Diäten durch den Konsum von pflanzlicher Nahrung, Getreide, Obst, Gemüse und Ballaststoffen charakterisiert. Daher wäre eine naheliegende Lösung für eine nachhaltigere Ernährung die Rückkehr zu einer traditionellen Ernährung mit Meeresnahrungsmitteln. Der allgemeine Trend des Essverhaltens, insbesondere in der westlichen Welt und in wohlhabenden Ländern, besteht jedoch darin, dass die Ernährung weniger marine Nahrungsquellen als zuvor sowie mehr Fleisch und stark verarbeitete pflanzliche Lebensmittel und raffinierte Öle enthält.
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Mentale und neuronale Gesundheit sind biochemisch begründet

Bei allen Spezies, die ein Nervensystem besitzen, enthalten die Membranen neuronaler Systeme, auch diejenigen des Gehirns, etwa 60% Fett (Trockengewicht). Mehr als die Hälfte der Fette bestehen aus mehrfach ungesättigten Fettsäuren (Cunnane et al. 2014), insbesondere Omega-6-Arachidonsäure (20:4) und Adreninsäure (22:4) sowie Omega-3-Docosahexaensäure (DHA, 22:6) und Eicosapentaensäure (EPA) 22:5).
Auffällig dabei ist, dass die Gesamtmenge aller Omega-6-Fettsäuren im Gehirn fast der Gesamtmenge aller Omega-3-Fettsäuren entspricht, d.h. das Verhältnis Omega-6 / Omega-3 im Gehirn liegt nahezu bei 1 (Crawford und Broadhurst 2012). Alle diese Fettsäuren sind essentielle Fettsäuren, d.h. unser Körper hat keine oder nur unzureichende Mechanismen, um sie zu synthetisieren, und daher müssen wir sie über unsere Nahrung aufnehmen. Der Zugang zu diesen Fettsäuren war nicht nur in der Vergangenheit ein entscheidender Faktor für die Entwicklung des Menschen, sondern wird auch in Zukunft die Weiterentwicklung der Menschen als Gesellschaft, aber auch in der Evolution als Tierart bestimmen (Crawford und Marsh 1989). Vielleicht sind Delphin und Krake in einer Million Jahren den Menschen in der Intelligenz überlegen, sofern die drei genannten den Klimawandel überleben. Die Menschen lagern heute schon Teile ihrer Denkleistung auf externe technische Hilfsmittel aus. In Zukunft dürfte dieser Trend durch die künstliche Intelligenz zunehmen. Künstliche neuronale Netzwerke haben sich bereits bei der Organisation künstlicher Intelligenzprozesse etabliert. Vielleicht konzentriert sich unser Gehirn in einigen hundert Jahren auf kreative Prozesse, während andere kognitive Leistungen gekoppelte Computer übernehmen.
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Das richtige Verhältnis von Omega-6 zu Omega-3 ist entscheidend

Ein Vergleich früherer mit heutigen Menschen offenbart klare Unterschiede in der Ernährung, z. B. im Gehalt von Ballaststoffen (Makki et al. 2018). Aber der vielleicht auffälligste Unterschied ist das Omega-6 / Omega-3-Verhältnis, das heute normalerweise zwischen 5 und 25 liegt, Tendenz steigend. Ein ausgeglichenes Verhältnis von Omega-6 / Omega-3-Fettsäuren ist aber entscheidend für die Gesundheit (Harwood, 2019). Es wird vermutet, dass dieses grobe Ungleichgewicht ein Hauptgrund für den Anstieg neurologischer und psychiatrischer Erkrankungen wie Depressionen, bipolare Störungen und anderer ist. Dieses Ungleichgewicht führt nicht nur zu einer großen Belastung für die menschliche Gesundheit, auch bei jungen Menschen, sondern auch zu sehr kostspieligen globalen Herausforderungen der Gesundheitssysteme (GBD 2017 Diet Collaborators 2019). Neurologische und psychiatrische Erkrankungen machen etwa ein Drittel der Gesundheitsausgaben in den Industrienationen aus.
Es gibt mehrere Gründe für die Erhöhung des Omega-6 / Omega-3-Verhältnisses der Ernährung (Simopoulos 2002). Eines ist die enorm gestiegene Produktion von billigen Omega-6-haltigen Pflanzenölen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Ein weiterer Grund ist die Stagnation in der Fischerei bei gleichzeitiger Begrenzung des Wachstums der Aquakultur, bei der sich nachhaltige Praktiken nur allmählich durchsetzen. Diese Einschränkungen des Angebots an Omega-3-Fettsäuren in der Ernährung steht einer nachhaltigen und gesunden Entwicklung der wachsenden Weltbevölkerung entgegen (Willett et al. 2019).
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It’s the algae, stupid

Woher kommen die mehrfach ungesättigten Fettsäuren? Sie werden alle im unteren Teil des Nahrungsnetzes von den Algen synthetisiert, sowohl von den Mikroalgen als auch von den Makroalgen (Algen). Nur diese Organismen verfügen über die Enzymsysteme, die zur Herstellung der mehrfach ungesättigten Fettsäuren aus anderen Fettsäuren erforderlich sind. Weder wir noch andere Tiere noch Pflanzen können das. Die mehrfach ungesättigten Fettsäuren steigen durch das Nahrungsnetz auf und reichern sich insbesondere in Meeresorganismen wie Fischen, Schalentieren und einigen Säugetieren an. Hier beziehen Menschen normalerweise ihre essentiellen Fettsäuren wie DHA und EPA. Wollen wir aber nicht nur gesund essen, sondern auch nachhaltig, ist es möglicherweise nicht die klügste Option die Ressourcen von der Spitze des Nahrungsnetzes zu nutzen.
Der Grund ist simpel: Der überwiegende Teil an Nährstoffen und Energie (ca. 90%) geht von einer trophischen Stufe zur nächsten und dann wieder 90% zur nächsten usw. verloren. Von 10.000 kg Mikroalgen, die voller Energie und Nährstoffe stecken und von Zooplankton gefressen werden, die wiederum von kleinen Fischen, die kleinen dann von großen Fischen, die schließlich von Menschen, bleibt nur 1 kg Nahrung übrig und nur 1/10.000 der ursprünglichen Energie. Nachhaltigeres Essen bedeutet also, dass man möglichst von den unteren Teilen des Nahrungsnetzes isst, insbesondere im Meer (Costello et al. 2019).

Algen sind dafür die beste Option.

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Literaturquellen:

Chai, B. C., van der Voort, J. R., Grofelnik, K.;, Eliasdottir, H. G., Klöss, I., and Perez-Cueto, F. J. A. (2019). Which diet has the least environmental impact on our planet? A systematic review of vegan, vegetarian and omnivorous diets. Sustainability 11:4110. doi: 10.3390/su11154110

Cornish, M. L., Critchley, A. T., and Mouritsen, O. G. (2017). Consumption of seaweeds and the human brain. J. Appl. Phycol. 29, 2377–2398. doi: 10.1007/s10811-016-1049-3

Costello, C., Cao, L., and Gelcich, S. (2019). The Future of Food from the Sea. Washington, DC: World Resources Institute.

Crawford, M. A., and Marsh, D. (1989). The Driving Force. Food, Evolution, and the Future. New York, NY: Harper & Row.

Crawford, M. A., and Broadhurst, C.L. (2012). The role of docosahexaenoic and the marine food web as determinants of evolution and hominid brain development: The challenge for human sustainability. Nutrition and Health. 2012;21(1):17-39. doi: 10.1177/0260106012437550

Cunnane, S., Stewart, K., and Tattersall, I., (eds.). (2014). The role of freshwater and marine resources in the evolution of the human diet, brain and behaviour. J Hum. Evol. 77, 1–216.

GBD 2017 Diet Collaborators (2019). Health effects of dietary risks in 195 countries, 1990-2017: a systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2017. Lancet 393, 1958–1972. doi: 10.1016/S0140-6736(19)30041-8

Harwood J. L. (2019). Algae: Critical Sources of Very Long-Chain Polyunsaturated Fatty Acids. Biomolecules, 9(11), 708. doi: 10.3390/biom9110708

Makki, K., Deehan, E. C., Walter, J., and Bäckhed, F. (2018). The impact of dietary fiber on gut microbiota in host health and disease. Cell Host Microbiota 23, 705–715. doi: 10.1016/j.chom.2018.05.012

Pimentel, D., and Pimentel, M. (2003). Sustainability of meat-based and plant-based diets and the environment. Am. J. Clin. Nutr. 78, 660–663. doi: 10.1093/ajcn/78.3.660S

Simopoulos, A. P. (2002). The importance of the ratio of omega-6/omega-3 essential fatty acids. Biomed. Pharmacother. 56, 365–379. doi: 10.1016/S0753-33220200253-6

Sproesser, G., Ruby, M. B., Arbit, N., Akotia, C. S., Alvarenga, M. D. S., Bhangaokar, R., et al. (2019). Understanding traditional and modern eating: the TEP10 framework. BMC Public Health 19:1606. doi: 10.1186/s12889-019-7844-4

Willett, W., Rockström, J., Loken, B., Springmann, M., Lang, T., Vermeulen, S., et al. (2019). Food in the anthropocene: the EAT–Lancet Commission on healthy diets from sustainable food systems. Lancet 393, 447–492. doi: 10.1016/S0140-6736(18)31788-4

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