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Indigene Völker – Hüter der biologischen Vielfalt

Biologische Vielfalt gibt es auch in der Ostsee

Die Erde ist ein besonderer Planet, denn er hat Leben in einer Vielfalt hervorgebracht, die ihresgleichen in unserer Galaxie sucht. Diese biologische Vielfalt wird als Biodiversität bezeichnet. Sie kann von Ökologen als Zahl ausgedrückt werden und dient als Bewertungsmaßstab für die Schutzwürdigkeit von Natur. Die Menschen sind Teil dieser Biodiversität, welche tief verwurzelt in ihrer Kultur und Lebensgrundlage ist. Oder sollte man besser sagen „war“? Denn diese spirituelle Verbindung und physische Abhängigkeit ist seit Beginn der Kolonialzeit, über die Aufklärung und industrielle Revolution bis heute verloren gegangen. Wir sind heute alles andere als Hüter der biologischen Vielfalt. Nun, in einer Ära des ersten von einer Spezies verursachten Klimawandels und Massensterbens von Arten seit Bestehen der Erde, gerät die Biodiversität mit Macht in den Fokus unserer Aufmerksamkeit zurück.

Wir widmen dem Thema „Biodiversität“ in den nächsten Monaten den einen oder anderen Beitrag.

Während die anderen mit auf das Feuer gerichteten Augen tanzten, beobachtete Indigo das seltsame Schattenspiel an den Hängen, und so war sie eine der ersten, die den Messias und seine Familie sah, als sie aus der Dunkelheit in den Schein der wirbelnden Schneeflocken traten. Wie ihre weißen Gewänder leuchteten!

(Indigo in „Gardens in the Dunes“ von Leslie Marmon Silko)

In dem historischen Roman „Gardens in the Dunes“ pflegt Großmutter Fleet einen traditionellen Wüstengarten. Sie ist eine der wenigen verbliebenen Sand-Lizard-Indianer, und lehrt ihre Enkelinnen Salt und Indigo die alten Bräuche.

Wüstengarten

Wüstengarten. Foto von Jael Hofnung auf Unsplash.

Als Indigo von weißen Soldaten aus ihrer Heimat entführt wird, muss sie sich „zivilisieren“, indem sie sich an eine völlig andere Kultur anpasst. Um diesen Prozess zu beschleunigen, wird Indigo in eine neue Familie adoptiert, aber es stellt sich heraus, dass sie viel mehr zu lehren als zu lernen hat. In dieser unglaublich herzerwärmenden Geschichte überbrückt Silko die Kluft zwischen zwei Gesellschaften, die sich ständig diametral gegenüberstehen.

Der Geistertanz

In einer Zeit erdrückender Hoffnungslosigkeit begründet die indigene Bevölkerung die Geistertanz-Bewegung. Auch Indigo zieht sie in ihren Bann. Der „Ghost Dance“ ist ein Trancetanz nordamerikanischer Ureinwohner und stellt eine letzte, weitgehend friedliche soziale Bewegung der Besiegten gegen die Unterwerfung und Zerstörung ihrer Lebensgrundlagen und traditionellen Kulturen dar. Für die Native Americans ist der Geistertanz heute noch eine Zeremonie zur Regeneration der Erde und die Wiederherstellung ihres früheren Lebens der Glückseligkeit als Hüter der Erde. Diese Zeremonie erlebte im späten 19. Jahrhundert ihren Höhepunkt, als die weißen Siedler fast alle Büffel töten, das Land der Native Americans verwüsten und diese ermorden. Zwischen 1888 und 1890 schickten verschiedene Stämme Abgesandte zu einem Mann namens Wovoka, der behauptete, ein Visionär zu sein, und der von vielen verzweifelten Indianernationen als Messias gefeiert wurde.

 Geistertanz

Der Geistertanz der Sioux-Indianer. The Illustrated London News, 1891 Jan. 3. / Meisterdrucke, Amédée Forestier (1854-1940)

Die Menschen als Teil der Natur

Die Laguna-Indianerin, Autorin und Dichterin Leslie Marmon Silko stellt fest, dass der Mensch eine komplexe Beziehung mit der ihn umgebenden natürlichen Welt unterhalten muss, wenn er in ihr überleben will. Silko zufolge hätten die Menschen ohne die Hilfe von Antilopen und Dachsen nicht in diese Welt „auftauchen“ können. Ohne die Erkenntnis, dass die Menschen „Schwestern und Brüder des Dachses, der Antilope, des Lehms, der Yucca und der Sonne“ sind, wäre das Leben der Lagunas in der trockenen Region des Südwestens Nordamerikas nicht lebensfähig gewesen. Erst als sie diese Erkenntnis erlangt hatten, konnte ihr Volk „auftauchen“. Damit bringt Leslie Marmon Silko  auf elegante Weise zum Ausdruck, dass sich die indigenen Völker Nordamerikas bewusst sind, dass das Leben nur dann lebensfähig ist, wenn die Menschen ihre Umwelt als verwandt betrachten, als Teil ihrer Sippe und dass ihre gegenseitige Rolle für ihr Überleben von wesentlicher Bedeutung ist.

Indigene Völker und Umweltschutz

Es gibt heute etwa 370 Millionen indigene Menschen, die Tausende von Sprachen und Kulturen repräsentieren. Indigenes Land macht etwa 20 % des Territoriums der Erde aus und beherbergt 80 % der verbliebenen biologischen Vielfalt der Welt (IISD 2022) – Indigene Völker sind damit die effektivsten Hüter der Natur und besten Umweltmanager. Ein Beispiel sind auch die Fanti, die mit traditionellen Methoden an der Küste Westafrikas fischen.  Im Gegensatz zu Gesellschaftsmodellen, die auf individuellem Besitz, Privatisierung und Wachstum basieren und zu Klimawandel, Umweltverschmutzung, Landverödung und Verlust der biologischen Vielfalt führen, haben indigene Völker Nachhaltigkeit seit Jahrhunderten praktiziert.

Mittlerweile ist allgemein anerkannt, dass das traditionelle Wissen der indigenen Völker ein Schlüssel zur Gestaltung einer nachhaltigen Zukunft für alle sind. Internationale Umweltverhandlungen müssen über eine symbolische Beteiligung indigener Völker hinausgehen und ihre Weltanschauungen und ihr Wissen effektiv einbeziehen. Die Achtung und Förderung ihrer kollektiven Rechte auf ihr Land, ihre Selbstbestimmung und ihre Zustimmung sind von entscheidender Bedeutung für die Stärkung ihrer Rolle als Hüter der biologischen Vielfalt und Akteure des Wandels.

Literatur:

Daes, E-I. (2000). Indigenous Peoples and their relationship to land. E/CN.4/Sub.2/2001/21.

IISD (2022). International Institute of Sustainable Development. Indigenous Peoples: Defending an Environment for All

Native Americans Online – Webseite der nativen Amerikaner

Indigene Völker & Umweltschutz (2021), Dr. Almuth Schilling-Vacaflor, Bundestag.

Bildnachweis:
Titelfoto: Nikolas Linke
Wüstengarten: Jael Hofnung auf Unsplash
Geistertanz: The Illustrated London News, 1891 Jan. 3. / Meisterdrucke, Amédée Forestier (1854-1940)

1 Kommentar

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  1. […] von natürlichen Ressourcen entwickelt, das eng mit ihrer kulturellen Identität verbunden ist (s. Artikel zu Indigenen Völkern). Der Verlust an Artenvielfalt bedeutet somit auch den Verlust an diesem Wissen und an einem Teil […]

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