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Geheimnisvolle Meeres-Wesen

Lederschildkröte schlüpft aus Ei

Oceanwell schützt zusammen mit Vereinen und Stiftungen die Meere. Im Rahmen ihrer Kampagne „Protect the Ocean“ trägt das ganze Team von Oceanwell zum Schutz der marinen Ökosysteme und ihrer Bewohner bei. Eines dieser Projekte ist der Schutz von Meeresschildkröten in Côte d´Ivoire.
Wir haben in unserem Blog bereits über die Initiative „Protect the Ocean“ und auch über unsere Expedition in das Meeresschildkröten-Schutzgebiet in Côte d´Ivoire berichtet. Und die Schildkröten aus Holz vom ivorischen Künstler Koné sind ja so etwas wie das Maskottchen von Oceanwell geworden.

Doch wie leben eigentlich diese urtümlich wirkenden Organismen? Warum sind einige von Ihnen vom Aussterben bedroht? Besteht noch Hoffnung für diese faszinierenden Lebewesen?

Biologie und Geheimnisse der Meeresschildkröten

Es gibt weltweit nur sieben Arten von Meeresschildkröten – eine stammesgeschichtlich sehr alte Reptilienfamilie. Sie ist wahrscheinlich mit ersten Arten vor etwa 200 Millionen Jahren vom Land ins Meer gegangen. Geblieben ist die Abhängigkeit vom Land, an dem die Eier abgelegt werden, die von der Sonne im 27-29°C warmen Sand ausgebrütet werden. Es dauert etwa zwei Monate, bis die Jungen schlüpfen.

Grüne Meeresschildkröten schlüpfen aus Gelege

Die Grüne Meeresschildkröte schlüpft aus einem Gelege am Meeresschutzgebiet Grand Bereby

Die meisten Meeresschildkröten wandern sehr weit über den gesamten Globus, und es ist immer noch ein ungelöstes Rätsel, wie sie es schaffen, sich zur Paarung und Eiablage zeitgleich und an bestimmten Stellen zu „verabreden“. Die Paarung findet im Flachwasser statt. An Land gehen nur die Weibchen. Die Eiablage geschieht in mondarmen Nächten und dauert nur wenige Stunden.

Lederschildkröte bei der Eiablage

Lederschildköte bei der Eiablage im äußersten Westen des Meeresschutzgebiets beim Dorf Pitike.

Die Jungen schlüpfen meist nachts. Sie schwimmen sofort zügig ins offene Meer hinaus, um den zahlreichen natürlichen Fressfeinden am Strand und im Flachwasser zu entgehen.

Junge Lederschildkröte, Dermochelys coriacea auf dem Weg ins Meer

Frisch geschlüpfte Lederschildkröte auf dem Weg ins Meer.

Lepidochelys kempii, die Altlantik-Bastardschildkröte, nach dem Schlupf

Eine frisch geschlüpfte Atlantik-Bastardschildkröte hat Glück und findet einen ruhigen Einstieg in den Ozean; bei der permanent kräftigen Brandung des äquatorialen Atlantiks ist dieses Glück eher selten.

Natürliche Feinde der Jungen sind z.B. Schakale, Warane, Vögel, Krabben und Fische. Wohin die Jungen schwimmen und wie sie im offenen Meer leben ist kaum bekannt. Die erwachsenen Meeresschildkröten haben sich auf unterschiedliche Nahrungsressourcen spezialisiert:

Die Grünen Meeresschildkröten (vormals „Suppenschildkröten“, Chelonia mydas) sind überwiegend Pflanzenverzehrer, die Oliv-Bastardschildkröte (Lepidochelys olivacea) frisst Krebse und wächst daher auch sehr schnell, die Karettschildkröte (Eretmochelys imbricata) bevorzugt Schwämme.

Oliv-Bastardschildkröte wird vermessen

Oliv-Bastardschildkröte wird von der „Strandbrigade“ vermessen und gekennzeichnet

Am eindrucksvollsten ist die größte Meeresschildkröte, die bis zu einer Tonne Gewicht erreicht: die Lederschildkröte (Dermochelys coriacea). Dieses einzigartige Tier schwimmt frei im offenen Ozean herum und ernährt sich von Quallen. Als maximale Tauchtiefe wurden bis zu 1000 Meter ermittelt, als maximale Tauchzeit 70 Minuten. Viele Einzelheiten aus dem Leben der faszinierenden Meeresschildkröten sind noch unerforscht.

Lederschildkröte (Dermochelys coriacea)wird vermessen

Vermessung einer Lederschildkröte beim Strandgang am Meeresschutzgebiet Grand Bereby.

Lederschildkrötenach der Eiablage

Lederschildkröte schaufelt nach der Eiablage Sand über das Eigelege. Sie bewegt dabei auch den Sand in der Umgebung des Eigeleges, um die Spuren der Eiablage zu verwischen und etwaige Ei-Räuber zu verwirren.

Lederschildkröte auf dem Weg zurück ins Meer

Nach der Eiablage und dem Schutz des Geleges wandert die Lederschildkröte zurück ins Meer und geht erst zur nächsten Eiablage wieder an Land.

Spuren einer Lederschildkröte im Sand

Spuren der Lederschildkröte am folgenden Morgen nach der Eiablage im Sand

Bedrohung von Meeresschildkröten

Die meisten Populationen von Meeresschildkröten sind stark bedroht (Weltnaturschutzunion IUCN). Die Ursachen der Gefährdung sind überwiegend der Verlust der Strände, auf denen sie sich reproduzieren, und die intensive Nutzung durch den Menschen. Die Menschen essen sowohl die Eier als auch die Meeresschildkröten selbst.

Erlegte Lederschildkröte

Die Jagd nach Meeresschildkröten war im Gebiet des Meeresschutzgebietes üblich. Heute findet sie, auch dank der Aufklärung der Schildkrötenschützer, so gut wie nicht mehr statt.

Gesammelte Eier von Meeresschildkröten

Auch das Sammeln und Verzehren von Meeresschildkröteneiern ist durch Aufklärungsarbeit und den Schutz der Gelege nur noch eine Randerscheinung.

In Côte d´Ivoire wird diese weltweite Situation in klassischer Form wiedergespiegelt. Die zunehmende Besiedlung und Nutzung der Küste lässt kaum eine erfolgreiche Reproduktion zu. Dort, wo noch Restpopulationen existieren, werden die Eier ausgegraben und verzehrt. Der Fang von Meeresschildkröten ist zwar offiziell durch nationale Gesetze verboten, Kontrollen oder Schutzgebiete existieren jedoch nicht, so dass das Aussterben der Meeresschildkröten in Côte d´Ivoire in naher Zukunft zu erwarten gewesen wäre, wenn einzelne Aktivisten, Vereine und Stiftungen nicht gehandelt hätten.

Die Meeresschildkröten von Côte d´Ivoire

Die Lage des westafrikanischen Landes Côte d´Ivoire mit über 500 km Küstenlinie parallel zum Äquator lässt vermuten, dass ehemals fast überall Meeresschildkröten Eier abgelegt haben.

Marine Protected Area west of Grand Bereby, Cote d'Ivoire

Die Lage des Meeresschutzgebietes (hellblaue Fläche rechts oben; MPA – Marine Protected Area) westlich von Grand Bereby, Côte d’Ivoire.

Hinweise darauf geben heute noch bestehende einzelne Laichplätze bei Abidjan und im gesamten Südwesten des Landes, etwa zwischen San Pedro und der Landesgrenze nach Liberia. Nach systematischen Erhebungen von Meeresschildkröten in Côte d´Ivoire durch den Biologen Alexandre Dah von der Universität Cocody in Abidjan sind für Côte d´Ivoire vier Arten Meeresschildkröten mit Reproduktion nachgewiesen.

Die Populationsgrößen sind sehr unterschiedlich und schwanken von Jahr zu Jahr. Die weitaus meisten Meeresschildkröten legen ihre Eier im Bereich zwischen Grand Béréby und Tabou (nahe der liberianische Grenze) ab. Auf diesem genannten Küstenabschnitt werden folgende Arten Meeresschildkröten und Anzahlen von Nestern pro Jahr gefunden: Oliv-Bastardschildkröte mit etwa 1000 Nestern und jährlich 100.000 schlüpfenden Schildkröten, die Grüne Meeresschildkröte mit etwa 150 Nestern, die Lederschildkröte mit bis zu 300 Nestern und die Echte Karettschildkröte mit einzelnen Exemplaren, einschließlich belegtem Reproduktionsnachweis. Hervorzuheben sind v.a. Leder- und Grüne Meeresschildkröte, die beide weltweit als stark bedroht bis vom Aussterben bedroht gelten (IUCN). Im Südwesten der Côte d´Ivoire bestehen demnach noch voraussichtlich überlebensfähige Bestände weltweit bedrohter Meeresschildkröten.

Hoffnung keimt auf

Das 2012 gegründete Meeresschildkröten-Schutzprojekt bei Grand Béréby, an dem auch Oceanwell beteiligt ist, ist die erste und bisher einzige Initiative, um die wertvolle Biodiversität an der Küste von Côte d´Ivoire zu erhalten. Das 2021 ausgewiesene Meeresschutzgebiet im wichtigsten Eiablagegebiet der Meeresschildkröten macht zusätzlich Hoffnung. Besonders die küstennahen Unterwasser-Felsen, die nicht mit Sedimenten zugedeckt sind, stellen wertvolle algenbewachsene Hartsubstrate dar, die von der Algen verzehrenden Grünen Meeresschildkröte und der Benthos (Lebewesen am Meeresboden) verzehrenden Olivenschildkröte als Nahrungshabitate aufgesucht werden.

Im äußersten Westen des Meeresschutzgebietes, zwischen Pitiké und dem Fluss Dodo, erstreckt sich ein langer Sandstrand ohne Felsen. Das Ufer und der angrenzende Meeresboden fallen hier steil ab. Diese Verhältnisse sind für die aus dem fernen Atlantik anschwimmende Lederschildkröte wichtig. In Ergänzung der am Strand liegenden Laichhabitate aller drei genannten Schildkrötenarten stellt das Meeresschutzgebiet somit eine Minimal-Schutzzone zur Erhaltung der größten Meeresschildkröten-Population von Côte d´Ivoire dar.

Dorf Kablake am Meeresschutzgebiet

Das Dorf Kablake ist eine der wenigen kleinen Siedlungen im Bereich des Meeresschutzgebietes, das in Zukunft von einem naturverträglichen Tourismus profitieren könnte.

Für die Menschen, die an der Küste leben, zeichnet sich zukünftig eine friedliche Koexistenz mit ihren Meeresnachbarn ab, denn die attraktiven Meeresschildkröten bieten ein enormes Potenzial zur Entwicklung von Ökotourismus.

 

Anmerkung: Teile des Textes stammen aus dem Bericht über das geplante Meeresschutzgebiet vom Biologen Olaf Grell, der Initiator vom Schutz der Meeresschildkröten in Côte d´Ivoire war.

Fotos: Alexandre Dah, Olaf Grell, Wolf Wichmann, Levent Piker

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